Auf ein Wort

So nimm denn meine Hände

Sie steht am Krankenhausbett und staunt: Die Uroma, die sie vor Kurzem noch auf dem Schoß gehabt und mit ihr gesprochen hatte, liegt nun da und ist ganz still geworden. 
Unwillkürlich ergreift das kleine Kind ihre Hand und hält sie ganz fest. 
Da halten sich zwei, 84 Jahre beträgt ihr Altersunterschied. Und doch sind sie sich so nahe! 
Wenn die Uroma einmal nicht mehr lebt und das Kind älter ist, werde ich ihm das Bild zeigen und es daran erinnern, dass es diese Frau gab, die von ihm gehalten wurde und die ihrerseits dankbar annahm, dass sie jemand hielt. 
Halt über Generationen hinweg; mich berührt das! 
Wir alle halten Hände, ganz alltäglich oder ganz bewusst in besonderen Situationen. Denn wir alle brauchen Halt. Dafür haben wir Hände, ihn zu geben und ihn zu erhalten. 
Paare gehen manchmal so spazieren, auf Wanderungen werden sie uns als Hilfe hingehalten, Kinder ergreifen sie, wenn sie sich fürchten, Alte, wenn sie unsicher geworden sind. 
Julie Hausmann textete um 1862 das bekannte Lied: „So nimm denn meine Hände“. Sie finden es im Gesangbuch unter der Nummer 376. Darin bittet die Autorin Gott vertrauensvoll, ihre Hand zu nehmen und sie zu führen. Sie ahnt, dass sie allein nicht gut weiter kommt, vor allem, wenn es dunkel wird. 
Obwohl dieses Lied früher auch gerne als Lied zur Trauung gesungen wurde, erklingt es heute vornehmlich in Trauerfeiern: „So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!“ 
Wenn wir gegen Ende des Kirchenjahres an die denken, die verstorben sind, dann erinnern wir uns auch, wie schwer es war, die geliebte Hand für immer loszulassen. 
Wie tröstlich ist es dann, auf Gott zu vertrauen, der unsere Hand nicht loslassen und uns durch den Tod führen wird. 
Auf diesen Halt will ich auch im Leben nicht verzichten. Ich wünsche ihn mir für mich und für meine Lieben, die Großen wie die Kleinen. Ich wünsche mir dieses Vertrauen für die Kita- Kinder und Konfirmand:innen, für die Jugendlichen und für die ältere Generation. Ich wünsche es mir für unseren Kirchenvorstand und die Mitarbeitenden in den Gemeindegruppen. Und natürlich für Sie, die Lesenden: Sie wissen selbst, wie schön es sein kann, zu vertrauen und sich gehalten zu wissen. 
So wünsche ich Ihnen, dass Sie mit dem 73. Psalm beten können: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“ (Ps 73,23f.) 
Uta Giesel