Auf ein Wort

Prüft alles und behaltet das Gute

Bald hole ich wieder die Kisten aus dem Keller mit dem Weihnachtsschmuck. Christbaumkugeln, Engel, Zapfen, Sterne. Manches ist Jahrzehnte alt. Ein paar Erbstücke sind darunter, sie erinnern an die Eltern. Eine Schachtel mit roten Kugeln erzählt von der ersten Weihnacht in der eigenen Wohnung. Selbstgebastelte Sterne aus Goldpapier lassen die Kindergartenzeit der Kinder wieder lebendig werden. 
Weil kostbare Erinnerungen daran hängen, wird der Engel aufgehoben, obwohl er einen Flügel verloren hat. Anderes ist mittlerweile so abgewetzt oder die Erinnerungen sind verblasst oder nicht mehr so wichtig: Das darf dann auch mal weg. 
„Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thessalonicher 5,21) ist die Jahreslosung für das Jahr 2025. 
Der Apostel ermutigt uns, Inventur zu machen. Er sprach damals in den Anfangsjahren des Christentums zu einer Gemeinde in Griechenland. Viele unterschiedliche Sichtweisen und Einflüsse mussten betrachtet und einsortiert werden: Ist das mit dem christlichen Glauben vereinbar? Ist das gut und lebensdienlich? Oder nicht? Dann verabschieden wir uns davon. 
Wir haben als Individuen, als Gemeinde und Gesellschaft auch immer wieder diese Aufgabe: Prüft alles und behaltet das Gute. Alte Gewohnheiten, Traditionen, Regeln – sie sind nicht per se gut, nur weil sie gefühlt schon seit Ewigkeiten existieren. Sie können auch lähmen und niederdrücken. Umgekehrt: Nicht jede neue Mode, jeder Trend, jede neue technische Entwicklung ist per se gut, nur weil sie neu ist. Sie können zerstörerisch sein, Kräfte binden, die woanders gebraucht werden und unfrei machen. 
Unsere Gesellschaft und unsere Kirche stehen vor enormen Herausforderungen, weil die Welt sich so schnell wandelt. Jedenfalls haben wir dieses Gefühl. Um da nicht die Orientierung zu verlieren, um weder in Aktionismus noch in Schockstarre zu verfallen, ist es gut, sich zu besinnen. Woher komme ich? Wozu bin ich hier? Wohin gehe ich? 
Die Weihnachtsbotschaft setzt uns auf die Spur: Vertraut Gott, seht auf das Kleine und Zarte, sucht das Licht, folgt den Spuren Jesu, des Sohnes Gottes. 
Ich wünsche Ihnen und euch ein gesegnetes Weihnachtsfest und dass ihr das Gute im Jahr 2025 immer wieder sucht und findet.

Ihre und eure Doris Escobar

So nimm denn meine Hände

Sie steht am Krankenhausbett und staunt: Die Uroma, die sie vor Kurzem noch auf dem Schoß gehabt und mit ihr gesprochen hatte, liegt nun da und ist ganz still geworden. 
Unwillkürlich ergreift das kleine Kind ihre Hand und hält sie ganz fest. 
Da halten sich zwei, 84 Jahre beträgt ihr Altersunterschied. Und doch sind sie sich so nahe! 
Wenn die Uroma einmal nicht mehr lebt und das Kind älter ist, werde ich ihm das Bild zeigen und es daran erinnern, dass es diese Frau gab, die von ihm gehalten wurde und die ihrerseits dankbar annahm, dass sie jemand hielt. 
Halt über Generationen hinweg; mich berührt das! 
Wir alle halten Hände, ganz alltäglich oder ganz bewusst in besonderen Situationen. Denn wir alle brauchen Halt. Dafür haben wir Hände, ihn zu geben und ihn zu erhalten. 
Paare gehen manchmal so spazieren, auf Wanderungen werden sie uns als Hilfe hingehalten, Kinder ergreifen sie, wenn sie sich fürchten, Alte, wenn sie unsicher geworden sind. 
Julie Hausmann textete um 1862 das bekannte Lied: „So nimm denn meine Hände“. Sie finden es im Gesangbuch unter der Nummer 376. Darin bittet die Autorin Gott vertrauensvoll, ihre Hand zu nehmen und sie zu führen. Sie ahnt, dass sie allein nicht gut weiter kommt, vor allem, wenn es dunkel wird. 
Obwohl dieses Lied früher auch gerne als Lied zur Trauung gesungen wurde, erklingt es heute vornehmlich in Trauerfeiern: „So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!“ 
Wenn wir gegen Ende des Kirchenjahres an die denken, die verstorben sind, dann erinnern wir uns auch, wie schwer es war, die geliebte Hand für immer loszulassen. 
Wie tröstlich ist es dann, auf Gott zu vertrauen, der unsere Hand nicht loslassen und uns durch den Tod führen wird. 
Auf diesen Halt will ich auch im Leben nicht verzichten. Ich wünsche ihn mir für mich und für meine Lieben, die Großen wie die Kleinen. Ich wünsche mir dieses Vertrauen für die Kita- Kinder und Konfirmand:innen, für die Jugendlichen und für die ältere Generation. Ich wünsche es mir für unseren Kirchenvorstand und die Mitarbeitenden in den Gemeindegruppen. Und natürlich für Sie, die Lesenden: Sie wissen selbst, wie schön es sein kann, zu vertrauen und sich gehalten zu wissen. 
So wünsche ich Ihnen, dass Sie mit dem 73. Psalm beten können: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“ (Ps 73,23f.) 
Uta Giesel